Gesucht: Männerauto

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15 Jahre 3 Monate her #7467 von thomas
Gesucht: Männerauto wurde erstellt von thomas
hier ein beitrag von einem herrn namens marco w von alfisti.net. weil ich ihn so schön finde, hab ich mir gedacht ich poste ihn hier.. ich weiss, is a bissi lang, aber vielleicht hat ja wer grad langeweile.. :)


marco w schrieb:

Inspiriert durch den Alfa 166 Huldigungsthread und einen langen Stau heute am Frankfurter Kreuz möchte ich Euch heute mal mit einigen Gedanken meinerseits belästigen. Bei allem gebotenen Ernst, bitte ich bei der Lektüre und allfälligen Erwiderungen die Charakterzüge der Ironie und des Humors nicht ganz aus den Augen zu verlieren.

Über das prächtige Holzlenkrad meines heutigen Begleiters, einem 164 Super des letzten Baujahres, streift mein Blick in endlose graue Autoschlangen. Ein Opel Agila, Skoda Fabia, Golf Plus – was für Boliden! Depression kehrt ein. Nach einer halben Stunde ein erster zaghafter Höhepunkt, einem neueren Golf neben mir explodiert offensichtlich die Zylinderkopfdichtung, der ratlose Fahrer fummelt am dampfenden Ausgleichbehälter herum und sieht wie sich sein geplanter Tagesablauf zusammen mit dem Kühlwasser in Luft auflöst. Ansonsten telefonierende Männer in schwarzen C- Klassen in Avantgarde Ausstattung, ein Student in einem alten Polo mit ehemals rotem Lack, der nun eher an Schmirgelpapier Körnung 120 erinnert, eine Frau in einem dunkellila Ford Ka, dessen hinterer Plastikstoßfänger wie eine recycelte Gartenbank aussieht und dazwischen eine Armada an Passat, A4, Mondeo, viele Mietwagennummerschilder, eiernde Plastikradkappen und Außendienstleute. Dann vor mir das imposante Heck eines nagelneuen Peugeot 308 CC, Megadiffusor, Doppelrohrauspuff, grotesk überzeichnet und alles serienmässig. Vorne 2 Liter Diesel und Automatik. Mit graziler Eleganz schiebt sich in Zeitlupe ein VW Fox an meinem Fenster vorbei. Die zierliche Fahrerin sitzt eine guten halben Meter höher als ich.

Irgendwie geht mir diese ganze Szenerie zusehends auf den Wecker. Irgendwas fehlt, was ist denn eigentlich los? All diese Gefährte da draußen funktionieren, tun ihren Dienst. Jede noch so bescheuerte Nische wird bedient, jede Gurkenmarke versucht man übers Marketing bis zur Peinlichkeit zu emotionalisieren. Alles ist Premium. Aber irgendwie ist das was ich da draußen sehe auch grauenhaft banal.

Wäre denn Giovanni Agnelli wirklich in einem Cayenne Diesel zur Arbeit gefahren, hätte Gunter Sachs seine neue Bekanntschaft tatsächlich in einem VW Touran abgeholt? Alain Delon holt seine Brötchen mit einem Hyundai Atos weil da die Lenkung so leicht geht, Steve McQueen fährt Toyota Prius und James Bond schleppt die Frauen im Skoda Superb ab. Der hat ja jetzt so eine voll innovative Heckklappe, da bringt er den Wochenendeinkauf besser rein.
Leute, gibt es denn eigentlich noch adäquate Boliden für Typen wie uns, die wir uns als direkte Nachfahren der obigen Herrschaften verstehen?

Was brauchen wir denn wirklich?

Ein Auto für den Gentleman, einen vernünftigen Motor, genug Leistung, Stil und Charakter. Eine gewisse Größe und Präsenz sollte es haben. Irgendwie noch den Stolz und die individuellen Eigenheiten seiner Erbauer widerspiegeln. Ein Auto welches mich lange Strecken mit Freude angehen lässt, mit dem ich wie in alten Tagen völlig sinnlos von Frankfurt nach Düsseldorf in schöner Begleitung zum Abendessen und zurück fahre, und das beim Aussteigen vor der Oper einen schlanken Fuß macht. Ein Auto welches auf dem Kiesparkplatz vor dem Hotel am Comer See durch seine schiere Präsenz einen tollen Auftritt hat und anschließend in den Kurven der Küstenstrasse trotzdem nicht vollends versagt. Es muss Freude bereiten, keinesfalls aber immer das schnellste sein oder den Hockenheim in absoluter Referenzzeit umrunden. Trotzdem aber die Möglichkeit bieten, den Großteil der automobilen Konkurrenten nach der Zahlstelle Milano Nord mal sauber auszubeschleunigen.

Ein Auto für unser aller täglich Leben also, ganz normale Szenarien, Dinge die wir täglich tun.

Sonst noch was?
Traditionell eher eine große Limousine oder besser noch ein Coupé. Keinesfalls eine Geländekarre. Der Nutzwert beschränkt sich auf die vorderen Sitze. Üppiges Gepäck benötigen wir nicht. Größeres Equipment wird vor Ort gemietet, Fahrradträger und Dachboxen sind in unseren Kreisen unbekannt. 95% der Testkriterien der einschlägigen Autozeitungen gehen uns am Allerwertesten vorbei, es sind doch ganz andere Dinge die zählen. Nur keiner begreift es.

Werfen wir doch mal einen Blick auf einige potentielle Marken, irgendwas muss es doch geben. Egal ob neu oder mäßig gebraucht.

Peugeot: Ein 406 Coupe, das hatte was, die C- Säulen wie eine alte Lancia Flaminia geformt, kein Wunder beim gleichen Designer. Auch ein 607 hat heute noch einen eleganten Auftritt, aber was kam dann? Groteske Kühlergrills, vordere Scheinwerfer die die ehemaligen Kotflügel ersetzen und bei 407 Kombi ein obszön breiter Hintern ohne jegliche Ästhetik. Der goldene Schnitt, das war einmal, heute gibt es Cabrios die einem im Stand im unklaren lassen in welche Richtung das Gefährt eigentlich fahren soll.

VW: Passat CC, das coole Auto für den kultivierten Gentleman – wer denkt sich denn so etwas aus? Einen Passat kaufen 50% der Besitzer weil Sie mit dem Teil gerade nicht auffallen und der Nachbar halt auch so was hat, die restlichen müssen es fahren weil die Firma es bezahlt. Und für die ganz ausgeflippten Passatfans gibt es jetzt den CC, ein absolutes Individualistengefährt für den Volkswagenfahrer von Welt.
In unser Beuteschema passt vielleicht noch der Wolfsburger Bolide Phaeton, ein qualitativ gut gemachtes Langstreckengerät mit einer Heckgrafik wie der Quattroporte IV. Wenn da nur das Logo nicht wäre, ein VW Schlüssel auf dem Tresen des Hotels Adlon nach einem 1500km Ritt durch die Nacht – unvorstellbar.

Audi: Mittlerweile sind das schon extrem gute Autos, unheimlich akkurat im Finish, fast schon beängstigend. Mit einem A8 oder A5 kann man sicher gut leben, emotional vom Hocker reißen tun sie mich allerdings nicht. Als Mietwagen zum Kilometer schruppen sicher perfekt, aber für die schönen Momente des Lebens gibt es aufregenderes.

Fiat: Leider nix, die Zeiten eines 130 Coupe sind leider vorbei. Der hatte unter dem Lenkrad einen Hebel um die Beifahrertüre öffnen zu können. Nach dem Date gab es so eine wundervoll subtile Möglichkeit den weiteren Abend entscheidend zu beeinflussen. Hebel gezogen, Frau steigt aus, Date beendet. Bei tieferem Interesse öffnete man dann die Türe selbst von außen und begleitete die Dame ganz selbstlos noch zur Haustüre.
Sorry, ich schweife ab. Heute geht so etwas nur noch in diesem komischen Peugeot 1007 mit den elektrischen Schiebetüren. Das Problem ist nur, dass hier erst gar keine zu dir einsteigt.

Ford, Opel: Gab es jemals ein Fahrzeug dieser Marken, welches auch nur ansatzweise in unsere geschätzte Kategorie passen könnte? Alles klar.

Asiatische Fahrzeuge: Nachdem Du auf einer Gartenparty auf einem Landgut überraschenderweise Maria Furtwängler kennen gelernt hast, bittet sie dich, sie noch nach Hause zu fahren. Gemeinsam geht ihr zu deinem unter Kastanien am Flussufer geparkten Wagen, du öffnest ihr die Türe und sie gleitet auf den Sitz deines Toyota / Hyundai / Mazda / Kia… Ein Albtraum, das geht einfach nicht!

Lancia: Ein Thesis auf der Autobahn, du fährst in die Abenddämmerung hinein, Tempomat bei 160 und den CD Wechsler voll passender Musik. Irgendwann geht automatisch das Licht an, die Instrumente werden hellblau und das ganze Auto hüllt Dich in eine unfassbare Geborgenheit. Für weniger Geld gibt es nirgends einen dermaßen hochwertigen und schönen Innenraum. Wenn dann noch der Alfa V6 unter der Haube schnurrt ist alles gut. Das Auto schreit geradezu danach, dass man es im Anzug fährt, in Jeans kommt man sich irgendwie deplaziert vor.
Leider ist auch er nicht mehr neu bestellbar, Ersatz gibt es keinen. Catherine Deneuve hat sich damit bei den Filmfestspielen in Venedig vorfahren lassen. Daran sollte sich Lancia in Zukunft wieder orientieren, die Hoffnung stirbt zuletzt.

BMW: Ein 5er, nicht schlecht, ein bisschen viel Firmenwagen, gehobenes Management, der Gentleman zahlt jedoch lieber selbst. 5er GT, die fetteste Ente des Abendlandes, spinnen die denn? Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass BMW große Autos elegant kleiden konnte.M3 zum alleine fahren cool, da wir aber immer in gut aussehender Begleitung sind irgendwie zu krawallig.
Z3 und Z4, als Cabrio irgendwie ein Auto für Jungmakler, mit Dach als Coupe dann aber richtig interessant. Ein Hauch von E- Type, knackig, gefällt mir. Der ganz Neue will beides auf einmal sein, der Reiz ist aber dahin. Auch hier ein gutes Beispiel dafür, dass die neuen Autos es jedem Recht machen wollen, der Charakterdarsteller ist nicht mehr gefragt.

Jaguar: Für unser Anforderungsprofil eigentlich immer eine sichere Bank.
Ein neuerer gebrauchter XJ, exzellentes Verhältnis Value for Money, elegante Form, toller Innenraum, sozial akzeptiert, ein echter Klassiker. Auch ein XK Coupe erste Serie hat was, geduckte Coupeform ohne Effekthascherei, ein urbritisches Armaturenbrett. Für mich mittlerweile ein echtes Connaisseurscoupe mit elegantem Auftritt in allen Lebenslagen zu einem teilweise obszön niedrigen Kurs.
Aber auch bei Jaguar: 2 Liter Diesel und der neue XJ mit einem Bruch aller seit Jahrzehnten bewährten Traditionen, dem Heck eines chinesisches Prototyps und virtuellen Instrumente im Gameboy Look, deren Layout ich jeden Tag neu gestalten kann. Super, genau das habe ich mir von Jaguar schon immer gewünscht…

Aston Martin: Da passt schon sehr vieles, lasst da noch ein paar Jahre vergehen und unseren Freund Wertverlust seine Arbeit machen.

Mercedes: Hm, nicht gerade meine Sympathiemarke. Ein CLS passt aber schon ganz gut zum Thema: Schönes Armaturenbrett, coole Gesamtgrafik, sicher ein tolles Reiseauto, Gratulation an Daimler, dass sie das Auto so umgesetzt haben.
Bei den neuen Modellen verstehe ich die Formensprache mit diesen ausladenden Hüften überhaupt nicht mehr. Auch diese unförmigen Cockpits im W 124 Style sind alles andere als sexy.

Citroen:
Einstmals glorreich, DS, SM, CX alles Reisegleiter. Der aktuelle C6 hat definitiv eine gewisse Grandezza, sicherlich nicht die schlechteste Wahl für ein Wochenende in Paris. Irgendwie fehlt ihm aber wie schon seinen Vorgängern noch das letzte Quäntchen Bolidenimage. Und das ist ja genau das was wir suchen. Über den Rest der aktuellen Modellpalette decken wir besser den Mantel des Schweigens.

Maserati: Wenn dich die Fee besucht und dir einen Autowunsch erfüllen will, wäre die Wahl eines beliebigen Maserati unter den Kriterien dieses Threads sicherlich nicht die Schlechteste. Eigentlich war man mit jedem Modell der legendären Marke immer perfekt angezogen. Selbst ein an allen Ecken durchgerosteter Ur- Biturbo, der sich seit 20 Jahren auf einem süditalienischen Schrottplatz von der Sonne seine Velourspolster mit Testbildmuster ausbleichen lässt, hat mehr Würde und Stil als ein Großteil der Gefährte, die mich heute im Stau begleitet haben.
Quattroporte IV, was für ein Heck, diese kompakte, unfassbar elegante Form. Die meisten haben keine Ahnung was du fährst, denken an die unmöglichsten Marken und du sitzt drin und schaust auf diese Lederorgie! Schalter aus allen möglichen Modellen italienischer Provenienz, vom Fiat 127 bis zum Alfa 145 Türöffner, hier aber mit Holzbesatz. Und dann diese handwerkliche Meisterleistung, der Schriftzug „Quattroporte“ als Intarsie ins Wurzelholz gemeißelt. Sensationell, das allein hat in der Herstellung sicher mehr gekostet als das ganze Armaturenbrett eines VW Touareg.
Und dann der Oberhammer, der Olymp des heutigen Gentleman Drivers: Der aktuelle Quattroporte. Gute Autos gibt es mittlerweile schon ab 35K€. Mehr geht nicht. Jedesmal wenn ich in einer Großstadt so ein Auto im Verkehr sehe, erscheint er mir wie ein Hecht im Goldfischteich.

Alfa Romeo: Und jetzt die Marke unserer Herzen. Viel kritisiert, aber wo steht sie im Vergleich zum Rest unter den obigen Kriterien wirklich?
Erst mal einen Blick zurück. Der 166, leider schon länger nicht mehr zu bestellen, aber für mich immer noch eine zeitlose Referenzlimousine mit tadellosem Auftritt. Perfekt für lange Strecken, Berlin – Frankfurt volles Rohr und danach ganz entspannt Essen gehen. Das Vertrauen welches dieses Auto bei schnellen Autobahnetappen vermittelt ist für mich immer noch erstaunlich. Trotz aller Schwächen, einem tollen, serienmäßigen Kassettenlaufwerk im Jahr 2007 und kaum vorhandener Modellpflege.
Ein GT 3.2, viel Stil, ästhetische Technik und vor allem Coupe, neben der klassischen großen Limousine immer noch die Karosserieform des Gentlemans.
159 und Brera fehlt halt der ultimative Motor, im Kontext der ganzen Wettbeweber sieht es dann unter unseren subjektiven Kriterien nicht mehr so schlecht aus. Stilistisch passt es, mal sehen was die Zukunft bringt. Ein neuer großer Alfa wäre mehr als wünschenwert, ebenso ein moderner Montreal und eine 2010er Alfetta GTV. Träumen wird doch noch erlaubt sein, auch wenn ich nicht wirklich daran glaube…


Es scheint als werden die Zeiten für Typen wie uns immer schwerer. Die Autowelt arbeitet gegen uns. Wenn es so weiter geht, fahren wir demnächst im Zug nach Como. Und wenn du es endlich geschafft hast, Laetitia Casta dazu zu überreden mit dir aufs Land zu fahren, ist bei deiner neuen 2012er Alfa Romeo Giulia Cuore Elettrico wahrscheinlich gerade die Batterie leer.

Was sind eure Vorschläge für einen adäquaten Fuhrpark?

Bis demnächst im Stau, lasst mich nicht hängen

Marco

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15 Jahre 3 Monate her #7468 von manfred
toller text und auch sehr gut geschrieben. wie recht er doch hat.

emotionen bei autos sind halt in zeiten wie diesen auf verbrauch, co2 und kosten reduziert. somit ist das urteil zum rundgelutschten einheitsbrei gefaellt.

sind wir doch froh, dass wir noch ein bischen an der hochbluete 1970 - max.1990) des automobilbaues teilhaben duerfen. ab 1990 zaehlten die oben beschriebenen werte.

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